Ob Google-Ranking, Social Media oder Internetauftritt mit digitaler Speisekarte: Für Gastronomiebetriebe gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Kundinnen und Kunden auch online zu erreichen und ihre Sichtbarkeit zu erhöhen.
„Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass die Corona-Pandemie auch in der Gastrobranche ein Digitalisierungstreiber ist. Gleichzeitig macht die Krise viele Unternehmer:innen erfinderisch – digitale Speisekarten, Lieferdienste und Take-aways, Online-Tastings und Kochboxen sind nur einige Beispiele“, erläutert Caroline Lehnigk von den Bremer Digital-Lotsen. „Hinter allem steht oft eine Frage: Wie gelingt es, nachhaltig online sichtbar zu sein und Beziehungen zu Kundinnen und Kunden aufzubauen und zu pflegen?“
Wie Gastro digital gelingt, haben uns drei Bremer Betriebe im Juni 2021 im Online-Seminar „Gemeinsam digital – Erfolgsgeschichten aus der Gastro-Branche“ gezeigt. Lesen Sie hier die drei Erfolgsgeschichten von:
„Mit der digitalen Kellerstunde auf Instagram konnten wir unsere Reichweite enorm erhöhen und haben stetig neue Fans gewonnen. Auch aufgrund der hohen Nachfrage unserer Fans setzen wir das Format auch über die Pandemie hinaus fort.“ (Julia Burmester)
Wussten Sie, dass die Deutschen durchschnittlich 21 Liter Wein pro Jahr trinken? Wegen der geschlossenen Gastronomie-Betriebe im vergangenen Jahr wurde zudem mehr Wein im heimischen Wohnzimmer konsumiert. Dass das dazu auch noch unterhaltsam und wissenswert sein kann, beweist der Bremer Ratskeller, der u.a. kurzum seine Kellerführung mit Weinverkostung digitalisierte.
Julia Burmester, Weinfachberaterin im Bremer Ratskeller, und ihr Kollege Jan Kampe moderieren seit über einem Jahr die monatlich stattfindende „Kellerstunde“ - ein kreatives Format, das Corona geschuldet ist. Aufgrund des Lockdowns waren Weinproben vor Ort nicht mehr möglich. Der Ratskeller wollte auf den gemeinsamen Weingenuss aber dennoch nicht verzichten und so entwickelte das Team die Idee, die Weinverkostung einfach nach Hause zu bringen, berichtet Julia Burmester. Von der Idee bis zum ersten Event vergingen nur wenige Wochen: Gemeinsam erarbeitete das Team die Auswahl der Weine, die Einstellung in den Webshop, die Bewerbung sowie den Versand der Probierpakete. Im Mai 2020 startete dann um 19:00 Uhr die erste Kellerstunde via Instagram Live. Mit diesem kostenlosen Tool der Social-Media-App sind Echtzeit-Aufzeichnungen möglich. Zeitgleich können Zuschauerinnen und Zuschauer kommentieren oder Fragen stellen und so live an der Veranstaltung teilnehmen.
Dass die Kellerstunde nicht nur eine Corona-Lösung bleibt, wurde spätestens bei der stetig wachsenden Zahl der Teilnehmer:innen und der verkauften Weinpakete deutlich. Seither gab es elf digitale Verkostungen, zum Beispiel zu den Themen „Spargel“, „Grillen“ oder mit leckeren Naschereien, wie gewürzte Mandeln und Schokolade aus Bremen. Die Fans, die sich gern mit einem virtuellen „Prost“ im Live-Chat begrüßen, kommen aus ganz Deutschland und sogar aus dem Ausland. Durchschnittlich 200 Instagram-Profile sitzen bei jeder Kellerstunde daheim, oft mit weiteren Freunden und Familienmitgliedern, probieren und lauschen gespannt den zahlreichen Fakten rund um die Welt der Weine. Auch der Austausch mit den virtuellen Gästen kommt in den 60 Minuten nicht zu kurz. So reagiert das Ratskeller-Team humorvoll auf Fragen und Kommentare im Chat. Wer nicht live dabei sein konnte, kann sich die Videos auf dem YouTube-Kanal des Ratskellers ansehen.
Flyer machen auf die Kellerstunde aufmerksam. (Foto: Bremer Ratskeller)
Live und kostenlos - ausgestrahlt wird über Instagram (Foto: Bremer Ratskeller)
„Für das Projekt haben wir mit wenigen Mitteln einen großen Effekt bewirkt“, sagt Julia Burmester. „Die Followerzahl und somit auch unsere Reichweite unseres Instagram-Auftritts sind gewachsen.“ Zwar war der finanziellen Mitteleinsatz gering, aber der Arbeitsaufwand nicht zu unterschätzen: „Social Media ist keine Sache, die nur nebenher läuft. Wir sind regelmäßig aktiv, kommentieren und liken“, zieht Julia Burmester Fazit über den Erfolg ihres digitalen Formates.
Heute läuft das Vor-Ort-Geschäft des Ratskellers wieder an und Weinverkostungen können hoffentlich bald wieder persönlich stattfinden. Dank des Erfolges und der hohen Nachfrage während des Lockdowns soll aber auch die virtuelle Kellerstunde in Zukunft zu besonderen Anlässen und Themen online fortgeführt werden, so Burmester.
„Manchmal braucht es jemanden, der dich von außen anstupst, um neue Dinge auszuprobieren. Während der Pandemie habe ich gleich mehrere Businessideen auf den Markt gebracht.“ (Mohamed Subry bin Ahamed)
Was macht man, wenn man es gewohnt ist, täglich 200 Gäste persönlich zu begrüßen und auf einmal keiner mehr ins Restaurant kommt? Wohin mit so viel Kontaktfreude?
Dieser Frage musste sich Mohamed Subry bin Ahamed, kurz „Subry“, zu Beginn der Corona-Pandemie stellen. Sein Restaurant Jaya steht für authentisches „Asian Street Food“ und gehört seit 2013 zu den beliebtesten Anlaufpunkten für die Mittagspause in der Bremer Überseestadt. Der Geschäftsinhaber, dessen Heimat in Sri Lanka liegt, ist bekannt für seine herzliche Art und gute Laune, die er am liebsten mit einer persönlichen Begrüßung am Tisch seiner Gäste weitergibt.
Seine Stammgäste kommen überwiegend aus den umliegenden Büros zum Lunch und zu After-Work-Partys. Durch die coronabedingte Homeoffice-Zeit war das Restaurant am Europahafen besonders stark betroffen. Denn sind keine Menschen im Büro, kommt auch niemand vorbei. Um wieder mehr Umsatz zu erzielen, wurde Subry erfinderisch und stellte kurzfristig Kochboxen mit seinen eigenen Gewürzmischungen zusammen und bot sie auf seiner Webseite an. Mit diesem Paket konnten die Kund:innen live per Videostream mit ihm kochen. Die Idee stieß schnell auf positives Feedback und so zählen Firmen wie der Radiosender Bremen Zwei zu seinen Kunden. Während des Lockdowns verwirklichte Subry zwei weitere Geschäftsideen: Unter https://spiceheaven.de/ bietet er mit seinem Geschäftspartner Mirko Sprecher Bio-Gewürze, Nüsse und Kochpakete an. Fleischkäse, Grillwürste und DIY-Burger-Kits mit Produkten aus der Region gibt es unter den Namen „Food Devil“ in seinem Restaurant und auch in seinem Onlineshop https://food-devil.de/ zu bestellen.
Für den Erfolg eines Produkts ist das passende Marketing natürlich enorm wichtig. Dafür nutzt Subry soziale Medien und präsentiert sich – auch dort gern authentisch – und gibt Einblicke in seinen Restaurant-Alltag. Subry sagt von sich selbst, dass er zuvor überhaupt nicht digital-affin war, doch er wusste, dass ein guter Online-Auftritt für den digitalen Erfolg des Unternehmens unabdingbar ist. „Jetzt probiere ich sogar TikTok aus, weil meine Kinder dort abhängen“, sagt er lachend. Durch seine Neugier, seinen Erfindergeist und Mut, getreu dem Motto „einfach machen“, konnte Subry sein Geschäft trotz oder vielmehr wegen der Krise erweitern und stärken. Dennoch ist er froh, seine Gäste wieder persönlich mit einem Lächeln zu begrüßen.
Live Cooking mit Subry (Foto: Instagram jaya.bremen)
Kochboxen und Gewürzmischungen für Zuhause (Foto: Instagram jaya.bremen)
"Mutig sein und einfach anfangen. Die Investitionssumme ist gering und auf dem Weg lerne ich immer mehr dazu.“ (Jakob Humbert)
Quiznights gehören zur Kneipenszene wie eine schöne Schaumkrone auf ein frisch gezapftes Bier, oder? Statistisch gesehen finden Quiz-Abende in jedem zweiten Pub von Irland und Großbritannien statt. Längst hat das gesellige Spiel auch in Deutschlands Kneipen Einzug gefunden, auch in Bremen.
Jakob Humbert betreibt die Heldenbar im Cinema Ostertor. Die beliebte Bar im Viertel ist bekannt für ihre Quiznights. Vor der Pandemie fanden diese alle zwei Wochen statt. Als die Bar während des Lockdowns geschlossen bleiben musste, entschloss sich Jakob Humbert kurzum, das erfolgreiche Format digital und kostenlos über Facebook Events anzubieten. Die Gäste kamen, die Freude war groß und es wurde mit Begeisterung online gequizzt.
Dauerhaft war das jedoch keine wirtschaftliche Lösung und so kaufte er sich wenig später eine Lizenz für „Zoom“ – ein Tool für Videokonferenzen. Parallel dazu baute er eigenständig an einen Webauftritt mit Onlineshop. Hier bietet er unter anderem verschiedene Tastings- und Cocktail-Boxen an. Ebenfalls buchbar sind Online-Cocktailkurse, Gin- und Craft Beer Verkostungen und die Quiznight. Letztere haben sich zum Renner besonders bei virtuellen Treffen unter Freund:innen oder Familie oder zu besonderen Anlässen, wie Junggesell:innenabschieden, Geburtstagen oder Firmenevents entwickelt. Auf Wunsch werden die Fragen für die Gruppe auch von Jakob Humbert personalisiert.
Von analog zu digital - die Online-Quiznight (Foto: Instagram heldenbar)
Ein besonderes virtuelles Treffen: Tasting- und Cocktailkurse im heimischen Wohnzimmer (Foto: Instagram heldenbar)
Dank der Ortunabhängigkeit des (neuen) digitalen Formats werden seine Angebote auch außerhalb von Bremen gebucht. Sein Mitteleinsatz war überschaubar. „Um die Tonqualität zu verbessern, kaufte ich mir noch ein Mikrofon und schaltete zusätzlich Werbung in den sozialen Medien, um auf mein neues Angebot aufmerksam zu machen“, erzählt Jakob Humbert. Das habe sich gelohnt und so kommen seine Online-Gäste heute auch aus Hannover und Bielefeld.
Jakob Humbert ist die klassische „One-Man-Show“: Vom Verkauf und Versand der Produkte über die Moderation der Quiznight bis hin zur Betreuung der Social-Media-Kanäle macht er alles allein. „Auch wenn ich an manchen Tagen gar keine Lust auf Instagram habe, merke ich, dass jede Aktivität direkt belohnt wird. Von Interaktionen bis hin zur Bestellung. Das spornt mich dann doch wieder an, aktiver zu sein.“ Sein Tipp für Erfolg in den sozialen Medien sind Authentizität und Storytelling: „Es müssen nicht nur Profiaufnahmen sein. Bilder von mir und meinem Hund erzeugen die meisten Likes.“ sagt er schmunzelnd. Auch Jakob Humbert führt seine Online-Tastings und Quiznights fort und hat seinen Webshop bereits mit selbstgemachten Likören erweitert.
Die Corona-Pandemie hat viele Unternehmen zunächst in einen Schockzustand versetzt. Es folgten ein erstes Abwarten auf das „Nach der Krise“ und anschließend eine Art „erzwungene Innovation“, da nicht absehbar war, wann die Welt wieder zum alten Normalzustand zurückkehrt. Vor allem in der Gastronomie und dem Einzelhandel wurde schnell klar, dass digitale Geschäftsmodelle zu einem wichtigen Baustein werden, um weiterhin erfolgreich wirtschaften zu können. Doch für viele Betriebe stellt sich nach wie vor die Frage: Wie? Alle drei Bremer Beispiele zeigen: Es braucht gar nicht viel, um erste Schritte in Richtung Digitalisierung zu gehen. Mit Mut, Kreativität und ein klein wenig Budget lassen sich tolle neue Ideen und digitale Geschäftsmodelle umsetzen, um Kund:innen und Gäste auch digital zu erreichen. Und das schönste daran ist: Die digitalen Angebote funktionieren auch noch, wenn die Gäste wieder vor Ort sind.
Für die Zeit nach der Sommerpause sind weitere Veranstaltungen zum Thema Digitalisierung in der Gastronomie geplant. Um auf dem Laufenden zu bleiben und über unsere kostenlosen Veranstaltungen informiert zu werden, melden Sie sich gern zu unseren Newslettern an.
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Verfasserinnen: Caroline Lehnigk und Lisa Buschan